Dysgnathie

Unter ‘Dysgnathien’ (gnáthos gr. – Kiefer) versteht man eine Zusammenfassung von Fehlentwicklungen der Zähne, der Kiefer und/oder des Kausystems, im weitesten Sinne also Fehlbisslagen.

Die Anomalien können die Zahnstellung, die Verzahnung (Okklusion), die Kieferform, die Lage der Kiefer zueinander oder den Einbau der Kiefer in den Schädel betreffen und als Folge davon ästhetische wie funktionelle Beeinträchtigungen verursachen.

Zwischen einer Dysgnathie und einer Eugnathie- dem ausgeglichenen und gut ausgebildeten Gebiss – bestehen fließende Übergänge.

Dentoalveoläre Fehlstellungen sind, auch nach Wachstumsende, auf kieferorthopädischem Weg zu behandeln. Die skelettalen Anomalien sind nach Wachstumsende nur chirurgisch zu beheben. Diese können auch während des Wachstums nur begrenzt behandelt werden, es lässt sich allenfalls nur modifizierend auf das Wachstum einwirken.

Skelettale Anomalien sind unter anderem:

  • Schmalkiefer in OK (häufiger) und UK
  • Unterkieferrücklagen (Retrognathie des UK)
  • Unterkiefervorlagen (Progenie des UK)
  • Oberkieferrücklagen (Pseudoprogenie), häufig mit Mittelgesichtshypoplasie (Unterentwicklung des mittleren Gesichtsdrittel)
  • Kombinationen aus o. g. Diagnosen in unterschiedlicher Ausprägung

Die Entscheidung, ob die Korrektur einer skelettalen Anomalie konservativ, d.h. allein durch eine kieferorthopädische Behandlung, erfolgen kann oder ob eine kombinierte kieferothopädische-chirurgische Therapie angebracht ist, wird im Einzelfall getroffen. Prinzipiell unterscheidet man zwischen erblich bedingten und erworbenen Kieferanomalien, wobei es sich meistens um eine Kombination von erworbenen Fehlstellungen und einer genetischen Bereitschaft handelt. Bei den angeborenen Anomalien stehen Ober- und Unterkiefer größenmäßig im Missverhältnis zueinander oder es kommt zu Aplasien, d.h. ,,Nichtanlagen“ der Zähne, was häufig zu asymmetrischen Zahnstellungen führt. Die erworbenen Fehlstellungen können u.a. auf Habits (schlechte Angewohnheiten) wie Daumenlutschen, zu langes Schnullersaugen oder Zungenpressen zurückzuführen sein.

Bei einer Dysgnathie können zahlreiche wichtige Aufgaben nicht richtig erfüllt werden, gründliches Kauen wird erschwert oder verhindert, da der Kontakt der Zähne zum Gegenkiefer nur ungenügend oder gar nicht vorhanden ist. Auch das aesthetische Erscheinungsbild der Betroffenen kann stören.

Die optimale Verdauung ist auf diese Weise beeinträchtigt und der Zahnhalteapparat wird durch die Fehlstellung überbeansprucht, was zu Parodontitis und im schlimmsten Fall zu frühzeitigem Zahnverlust führt. Wenn die Lippen nicht geschlossen sind, kommt es verstärkt zur Mundatmung, wodurch der Nasen-Rachen-Raum durch die fehlende Zungeneinlagerung nur ungenügend entwickelt wird. Die Folge sind oft Sprachstörungen und eine höhere Anfälligkeit für Erkältungs- und Rachenerkrankungen sowie eine Schädigung der Zahnsubstanz.

Eine Behandlung muss insbesondere beim Vorliegen nachfolgender funktioneller Beschwerden erwogen werden:

  • Kiefergelenksbeschwerden
  • Mangelhafte Abbeißfunktion (z. B. offener Biss, Kreuzbiss)
  • Ausgeprägte Engstände der Zähne (Platzmmangel)
  • Fehlender unwillkürlicher Lippenschluss
  • Behinderungen der Nasenatmung, häufige Rachen-oder Mandelentzündungen
  • Sprechstörungen (z.B. Lispeln)
  • Ausgeprägtes Scharchen bis hin zu nächtlichen Atemaussetzern (OSAS = obstruktives Schnarchapnoesyndrom)
  • Starke Kopfschmerzen
  • Nacken-, Rücken- oder Halsschmerzen
  • Gestörte Verdauung

Die Fehlerachsen der Kiefer können in der Transversalen (Breite des Kiefers), in der Sagittalen (zu weit vor oder zurück) oder in der Vertikalen (zu hoch oder zu tief) sowie kombiniert vorhanden sein.
Wissenschaftlich unterscheidet man (siehe oben):

  • transversale Dysgnathien:

Oberkieferengstände
Unterkieferengstände

  • sagittale Dysgnathien:

mandibuläre Retrognathie (in extremo “Vogelgesicht”)
maxilläre Retrognathie
mandibuläre Prognathie (Progenie)
maxilläre Prognathie

  • vertikale Dysgnathien:

frontal offener Biss
seitlich offener Biss
Gesichtsskoliosen u. U. mit Mittellinienverschiebungen

Kombinationen sind häufig.

In jedem Fall ist eine Einschätzung des behandelnden Kieferorthopäden unabdingbar. Hier arbeiten wir mit ausgesprochenen Spezialisten zusammen, die über die nötige Erfahrung verfügen.

Das ist entscheidend, da die Kieferorthopäden die Vorbereitung zur Operation durchführen und, falls notwendig, auch die kieferorthopädische Nachbehandlung und Retention (Erhaltungstherapie).

Die chirurgischen Möglichkeiten zur Korrektur bei einer Dysgnathie sind vielfältig.

Wir bedienen uns der modernsten Verfahren wie z. B. Distraktion (allmähliche Verschiebung) von Ober-oder Unterkiefer mit entsprechenden Apparaten.

Daneben kann der Unterkiefer chirurgisch nach vorne oder hinten verlagert werden (sagittale Spaltung nach Obwegeser-DalPont), außerdem besteht dabei die Möglichkeit die Mitte zu korrigieren oder einen offenen Biss zu schließen.
Genauso kann der Oberkiefer nach vorne, hinten oder nach oben/unten verlagert werden (Le-Fort-I-Osteotomie), wobei auch hier eine Mittenkorrektur oder ein Schließen des Bisses stattfinden kann.

Daneben bietet sich die Möglichkeit eine Kombination aus beiden Verfahren durchzuführen (sog. bimaxilläre Umstellungsosteotomie). Selbst die Verlagerung des kompletten Mittelgesichts ist möglich (Le-Fort-II- oder Le-Fort-III-Osteotomie).

Wesentlich bei allen Eingriffen ist, dass das Kiefergelenk nach der operativen Korrektur in der optimalen Position steht- auch hierzu bedienen wir uns modernster Verfahren, um dies zu gewährleisten.

In jedem Fall ist es notwendig, die individuelle Situation genauestens mit dem Kieferorthopäden zu analysieren, um eine individuelle Planung und Therapie festzulegen. Lassen Sie sich beraten, getreu unserem Motto:

Der Mensch steht im Mittelpunkt

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